Horst Gauss

Die Story von Gustav Gans

ES WAR EINMAL ........

DIE STORY VON GUSTAV GANS

Was wäre der Boxsport ohne die vielen Anekdoten die sich um die Ringhelden ranken. Da passierten schon seltsame Dinge, die dann noch viele Jahre lang die Runde machten. Man denke nur an den Kölner Peter Müller, genannt „der Aap“. Wallte man bei ihm anfangen, die Storys würden nicht enden. Storys, die den Pitter so liebenswert und unsterblich machten. Doch auch beim CSC gibt es Storys, die man sich immer wieder am Stammtisch erzählt und die in der Erinnerung fortleben. Die meisten seltsamen Erlebnisse fanden komischerweise immer in Bayern statt und die DABV –Gewaltigen mögen im Nachhinein den einen oder anderen Verstoß verzeihen. Verjährung gibt es sicherlich auch bei den Boxern.

Wieder einmal boxte der CSC in Bayern. Irgendwo in der Nähe von Selb. Es war ein Doppelstart und es gab dafür viel Geld in die Vereinskasse. Immer ein Argument, die strapaziöse Reise ins Bayernland auf sich zu nehmen. Doch auch die Kameradschaft kam bei diesen Starts nie zu kurz und man kehrte eigentlich immer zufrieden und vollgetankt mit neuen Eindrücken nach Frankfurt zurück.

Sein Name war Gustav, und da er sehr lang war und auch noch einen langen Hals hatte, hieß er beim CSC schnell „Gustav Gans“. Ein lieber Junge, den alle mochten und der sich mühsam abrackerte das Boxhandwerk zu erlernen. Doch es klappte einfach nicht. Gustav sah am Sandsack wie „eine schwangere Ente aus“ (Verzeihung!) seine Geraden waren Schwinger und seine Haken erinnerten an Rundschläge. Doch Gustav war immer dabei und in Gedanken hatte er seinen ersten Kampf schon längst hinter sich. Kam ein Anfänger in die Sportschule, war Gustav der erste, der ihn in die Geheimnisse des Faustkampfes einwies, seine Augen leuchteten, wenn der Anfänger ehrfurchtsvoll seinen Ausführungen lauschte. Eindrucksvoller konnte kein Trainer den Neuling einweisen. Peinlich für Gustav, wenn dann die berechtigte Frage nach den Anzahl seiner Kämpfe kam. „0“ Doch Gustav hatte so viele Argumente parat, dieses kleine Manko auszugleichen. Er blieb einfach für jeden Neuling zunächst die Bezugsperson.

Auch in Selb war Gustav dabei. Beim Zweitstart am Sonntagmorgen im Bierzelt war er nicht zu überhören. Er gab einigen Anfängern Ratschläge, wickelte ihnen die Bandagen und erzählte von seinen vielen Erfahrungen als Boxer. Irgendjemand hatte plötzlich die Idee – und schon war die ansonsten triste Stimmung an diesem Sonntagmorgen aufgeheitert – Gustav muss in den Ring! CSC – Vorsitzender Ulf Rausch ging in die Kabine und eröffnete Gustav Gans die Lage. „Du, Gustav, wir brauchen dich dringend, wir haben einen Gegner für dich, du musst heute einspringen!“ Der eben noch lustig palavernde Gustav war plötzlich ganz ruhig.

Jeder wusste, dass dies ein Scherz war, nur der arme Gustav nicht. Plötzlich musste er selbst diese komische Situation durchleben, diese unvergleichliche Situation vor einem Kampf, wenn Angst und Mut immer wieder im Streit liegen, mal überwiegt das eine Gefühl, mal das andere. Jene Situation, die er immer wieder bei den Anfängern herunterspielte, als wäre es die einfachste Sache der Welt, in den Ring zu steigen. „Oh, das ist ja Klasse!“ kam es fast zögernd, ohne Selbstvertrauen über seine Lippen. Sein Gesicht verfärbte sich abwechselnd blass und rot. Langsam wickelte er seine Bandagen. Eigentlich war er auf diesem Gebiet ein Meister, hatte er doch den Neulingen schon 100mal das Wickeln der Bandagen gezeigt. Doch heute wollt es nicht klappen. Gustav war merklich ruhig geworden, die ganze Kabine war plötzlich ruhig, man vermisste Gustavs große Töne. Was ging wohl in ihm vor? „Du machst bestimmt einen Bombenkampf!“ flachste Dieter Schütze, „einmal muss es ja sein!“

Doch Gustav war plötzlich gar nicht mehr so optimistisch. Eigentlich geht es mir heute morgen nicht so gut, ich hatte die ganze Nacht Durchfall und auch sonst wäre es doch eigentlich besser, wenn ich es heute sein lassen könnte. „Doch wir brauchen dich, sonst fehlt eine Paarung!“ ergänzte Ulf Rausch. Langsam wurde aus dem peinlichen Schweigen in der Kabine wieder ein munteres Geplauder, nur war diesmal nicht Gustav Gans der Stimmungsmacher, der saß grübelnd in einer Ecke, sondern die sonst so stillen Boxer amüsierten sich nun über diesen „Geisterkampf“ und sorgten für eine nie gekannte gelockerte Atmosphäre. Endlich war es so weit. Fast zweitausend Zuschauer saßen im Bierzelt. Die Kapelle spielte „Einzug der Gladiatoren“, die Boxer zwängten sich in Reihe und im Paradeschritt durch die Bänke. Mittendrin Gustav Gans, durch die Marschmusik nun wieder zu neuen Taten bereit. Er war jetzt einer von ihnen. Das konnte er jetzt jedem sagen, mit ruhigem Gewissen, natürlich. Doch kaum waren die beiden Mannschaften oben im Ring angekommen, der Einzug der Gladiatoren war vorbei, somit auch die stimmungsvolle Wirkung der Musik, bekam Gustav wieder komische Gefühle. Musste das eigentlich heute sein. Gustav begann zu zittern, während die Boxer sich bei der Vorstellung kreuzten, die Seiten wechselten und sich grimmig anschauten. Wie würde wohl sein Gegner aussehen, hoffentlich nicht der große Neger, Gott sei Dank, der war weg, der musste gegen Toni Panzis antreten. Aber da war noch der große Schwergewichtler, das konnte doch nicht sein Gegner sein., der war doch viel zu schwer. Mein Gott, wer wird nur der Gegner sein. Die Knie fingen an zu schlottern. Sicherlich die schlimmsten Augenblicke im jungen Leben von Gustav Gans.

Doch was war denn nun passiert? Alle Boxer hatten sich begrüßt und die Seiten gewechselt, nur er, Gustav stand noch auf der ursprünglichen Seite, inmitten der gegnerischen Mannschaft und schaute in neun grinsende CSC – Gesichter noch immer nicht begreifend, dass man mit ihm einen Scherz gemacht hatte und für ihn doch gar kein Gegner da war. Schnell wurde noch ein Mannschaftsfoto mit Gustav Gans zur Erinnerung gemacht. Beim Verlassen des Ringes erklärte ihm sein Staffelkamerad Erwin Walter auf seine inbrünstige Frage, wo denn sein Gegner sei, „der hatte vor dir Angst und kam nicht mit in den Ring, so brauchst du heute nicht boxen!“ Gustav verstand die Welt nicht mehr, glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Sollte das wirklich wahr sein, vor ihm, Gustav hatte jemand Angst. Plötzlich marschierte er gelockert durch die Reihen, wickelte gekonnt seine Bandagen auf, winkte dem einen oder anderen zu, vergessen waren die Nöte der letzten 15 Minuten, er schien neu geboren, merklich begann er wieder zu flachsen, je mehr er sich der Kabine näherte um so mehr kehrte sein Selbstvertrauen zurück, ja ein überschwängliches Gefühl überkam ihn. So etwas hatte er noch nicht erlebt. Alle Höhen und Tiefen einer „Vor dem Kampf-Situation“ hatte er durchlebt. Beim Betreten der Kabine war Gustav Gans wieder der „Alte“. Jetzt saßen die Boxer wieder da, in sich gekehrt, auf Ratschläge und aufs „Warmmachen“ wartend. Mit stolz geschwellter Brust betrat Gustav die Kabine. „So Jungs, jetzt geht’s rund, nur keine Angst, ihr müsst nur Selbstvertrauen haben, dann klappt das schon!“ Einen Moment hielt er inne, er schaute in fragende Gesichter, doch dann konnte sich keiner mehr halten. Das Gelächter hörte man bis an den Ring ........... ja,....
und Gustav , er stieg nie mehr in den Ring, aber nach 10 Jahren traf ihn ein Boxfreund aus der damaligen Zeit und Gustav öffnete sein Portemoney um ihm eine Visitenkarte zu überreichen. Kaum zu glauben, vorne im Portemoney war ein wunderschönes Mannschaftsfoto der damaligen Veranstaltung in Bayern und was glauben Sie wohl wer zwischen den CSC – Boxern stand ?! ........................